Beratungsresistenz?
Was mir an der derzeitigen Zensurdiskussion überhaupt nicht gefällt, ist, dass die Politiker ständig als Internetausdrucker bezeichnet werden. Das sind sie, das wissen wir alle. Aber, mal im Ernst, habt Ihr Ahnung von Themen aus der Landwirtschaft oder Familienpolitik oder Verkehrswesen oder ...? Beschlüsse zu diesen Themen werden aber von den gleichen (den selben) Politikern verhandelt. Die können wirklich nicht von allem Ahnung haben. Aus diesem Grund haben sie Berater, die sie zu den Themen informieren, die Unterlagen aufarbeiten und vorbereiten, so dass sich der Abgeordnete ein Bild machen kann.
Neu ist es, dass es ein Thema betrifft, was vielen aktiven Netznutzern am Herzen liegt.
Die Berater haben meines Wissens nach sehr gute Arbeit geleistet. Bescheuert ist, dass die wenigsten auf sie gehört haben. Und das ist tatsächlich eine Sache, die ich den Politikern vorwerfe.
Das Problem ist meiner Meinung nach, dass das Thema so wahnsinnig emotional aufgeladen ist und dass sich niemand sagen lassen will, dass er Kinderpornographie unterstützt hat mit seiner Entscheidung.
Unser Problem ist meiner Meinung nach, dass wir das Thema viel zu sachlich angegangen sind. Wir haben viel zu viele objektive Gründe genannt und gleich vom Aufbau einer Zensurinfrastruktur gesprochen. Das ist ebenso wahr wie - in diesem Zusammenhang - falsch. In den Köpfen der Entscheider steht: "Wenn ich die Verbreitung von Kinderpornographie durch den Einsatz einer Zensurinfrstruktur hindern kann, dann ist das das Mittel der Wahl".
Meiner Meinung nach hätten wir viel deutlicher, und am Besten von Anfang an, zeigen müssen, wie leicht es ist, die Inhalte aus dem Netz zu bekommen. Wir hätten viel stärker unsere (technischen) Möglichkeiten ausspielen sollen, um zu zeigen, dass es andere Methoden gibt.
Ich denke, dass die Gewichtung einfach falsch war.
Ein emotionales Problem kann man nicht sachlich lösen. Denkt einmal an einen Streit bei Euch zu Hause, in der Beziehung oder mit Freunden, der auf eine emotionale Ebene rutscht.
Wer erklärt Euch das? - Wenn Ihr noch nicht einmal Euren Beratern traut.
Neu ist es, dass es ein Thema betrifft, was vielen aktiven Netznutzern am Herzen liegt.
Die Berater haben meines Wissens nach sehr gute Arbeit geleistet. Bescheuert ist, dass die wenigsten auf sie gehört haben. Und das ist tatsächlich eine Sache, die ich den Politikern vorwerfe.
Das Problem ist meiner Meinung nach, dass das Thema so wahnsinnig emotional aufgeladen ist und dass sich niemand sagen lassen will, dass er Kinderpornographie unterstützt hat mit seiner Entscheidung.
Unser Problem ist meiner Meinung nach, dass wir das Thema viel zu sachlich angegangen sind. Wir haben viel zu viele objektive Gründe genannt und gleich vom Aufbau einer Zensurinfrastruktur gesprochen. Das ist ebenso wahr wie - in diesem Zusammenhang - falsch. In den Köpfen der Entscheider steht: "Wenn ich die Verbreitung von Kinderpornographie durch den Einsatz einer Zensurinfrstruktur hindern kann, dann ist das das Mittel der Wahl".
Meiner Meinung nach hätten wir viel deutlicher, und am Besten von Anfang an, zeigen müssen, wie leicht es ist, die Inhalte aus dem Netz zu bekommen. Wir hätten viel stärker unsere (technischen) Möglichkeiten ausspielen sollen, um zu zeigen, dass es andere Methoden gibt.
Ich denke, dass die Gewichtung einfach falsch war.
Ein emotionales Problem kann man nicht sachlich lösen. Denkt einmal an einen Streit bei Euch zu Hause, in der Beziehung oder mit Freunden, der auf eine emotionale Ebene rutscht.
Wer erklärt Euch das? - Wenn Ihr noch nicht einmal Euren Beratern traut.
Kommentare
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Mathias am :
Dirk Deimeke am :
Ute am :
Allerdings erwarte ich, wie wir ja im Frühjahr bei mir im Blog schon diskutiert haben, dass zumindest jemand wie v.d.Leyen, die solch ein Thema angeht sich die nötige Fachkompetenz aneignet, bevor sie Entscheidungen trifft.
Von allen abstimmenden Politikern würde ich annehmen, dass sie sich ihren eigenen Fachleuten anschließen, wenn sie zu einem Thema nicht fachlich kompetent sind.
Jedoch haben sie genau das nicht getan, weder die offiziellen Empfehlungen, noch bei der SPD die Aussagen ihres eigenen Online-Beirats bewogen die Herrschaften dazu sich dem anzuschließen.
Wie jedoch hätte man noch erklären sollen?
Es gab viele Beispiele auch mit einfachen Beispielen, die durchaus auch an die Politker weitergeleitet wurden.
Nein, ich glaube nicht, dass es daran lag, dass die Diskussion zu technisch lief.
Dirk Deimeke am :
Markus Thies am :
Ich glaube auch, daß bei Politikern alle Logik ausgeschaltet wird, wenn es um bestimmte Themen wie Kinderpornografie geht. Die Angst vor der Presse, die einen Zusammenhang undifferenziert darstellen könnte, ist dabei durchaus berechtigt.
Dirk Deimeke am :
Wenn man sich jetzt überlegt, dass das nur eines von einigen hundert Gebieten ist, die durch Politik beeinflusst werden, bekommt man eine Idee davon, warum die Berater die eigentlich wichtigen sind.
Und genau da haben meiner Ansicht nach die Politiker Schuld auf sich geladen ...
-thh am :
Man kann diskutieren, ob man eine Sperrmöglichkeit überhaupt braucht.
Man kann diskutieren, ob sie so, wie angedacht, überhaupt erfolgversprechend - und damit sinnvoll - ist.
Man muß diskutieren, wie die praktische Umsetzung aussehen soll, insbesondere welche Kontrollmechanismen nötig sind und wie diese gestaltet sind.
Schon den Gedanken, den Zugriff auf rechtswidrige Inhalte zu sperren, platt als "Einführung der Internetzensur" abzulehnen, offenbart aber beträchtliche (bestenfalls) Unkenntnis. Natürlich könnte man damit auch andere Seiten sperren und damit Zensur im üblicherweise so verstandenen Sinn ausüben - aber das kann man unter dem Deckmantel des Jugendschutzes, der Gefahrenabwehr, der Strafverfolgung, des Datenschutzes, und ... und ... und ... auch. Sperrlisten für rechtswidrige Inhalte sind nicht mehr der Aufbau einer "Zensurinfrastruktur" als die Vorhaltung von Gefängnissen der Aufbau eines Polizeistaates.
Insbesondere scheint mir auch in erheblichem Maße das Verständnis dafür zu fehlen, was für die Diskussion relevant ist. Technisches Verständnis ist dafür nur sehr begrenzt erforderlich; wie man DNS-Sperren umgeht, ist schnell erklärt, dafür ist es wirklich nicht nötig, komplexe Vorführungen zu machen. Interessant wäre hingegen alleinfalls, wenn jemand etwas dazu hätte beitragen können, wie viele Nutzer das prozentual beherrschen (statt denjenigen, die es bisher nicht wußten, Anleitungen dazu zu liefern ...). Es ist auch weitgehend irrelevant, aus Unkenntnis falsche - oft auch nur mißverstandene ... - Aussagen, ungesicherte oder falsche Fakten oder bewußt in den gewünschten Zusammenhang gerückte Informationen (vulgo Desinformation) zu sammeln und sich darüber zu empören. (Insbesondere, weil die eigene Argumentation oft in anderer Hinsicht von mindestens derselben Unkenntnis geprägt oder gleichfalls bewußt beeinflussend gehalten ist - wenn ich noch einmal lesen muß, "Eine Zensur findet nicht statt" gälte jetzt nicht mehr, obschon es zum Elementarwissen gehören sollte, das damit ausschließlich eine Vorabzensur im Sinne eines Zensors, der vor Veröffentlichung abnicken muß, gemeint ist, bekomme ich die Krätze.)
Relevant ist nur, welche (!) Fakten etc. pp. unzutreffend sind oder anders bewertet werden und welche Schlüsse sich daraus ziehen lassen.
In diesem Zusammenhang ist es bspw. allenfalls am Rande relevant, ob es eine milliardenschwere Kinderpornoindustrie gibt oder nicht (vor allem, weil sich weder das eine noch das andere beweisen läßt); relevant ist einzig und allein, ob und wieviel und welche Kinderpornographie im WWW angeboten wird und auffindbar ist, ohne das man sich in der Szene auskennen muß. Es ist wenig relevant, wie die Qualität skandinavischer oder sonstiger Sperrlisten ist; entscheidend ist, wie die Qualität einer deutschen Liste wäre und wie das sichergestellt werden soll.
Am stärksten kontraproduktiv ist und war allerdings der durchgehende "Drive" der Gegenargumentation, sich von Fakten nur am Rande irre machen zu lassen und sich primär darauf zu versteifen, "sperren" bedeute, daß man nicht mehr beseitigen und verfolgen werde, und in Wahrheit gehe es ja darum, wie jeder wissen könne, daß SIE damit die Zensur des Internets einführen wollen und alles andere nur ein Vorwand sei. (Ich nehme an, daß es sich um die gleichen SIE handelt, die uns alle ausspionieren, überwachen und totalüberwachen wollen, ohne daß bisher jemals jemand in der Lage war, zu benennen, wer "SIE" denn ganz konkret sein sollen und welche Zwecke SIE denn damit - für sich persönlich, für eine bestimmte Gruppierung, ... verfolgen sollen.) Wer so argumentiert, schießt sich für eine Sachdiskussion selbst ins Abseits (wenn er das ernsthaft glaubt, vermutlich zu Recht). Und gerade wer - zu Recht! - den Politikbetrieb kritisiert, sollte doch in der Lage sein, das selbst besser zu machen, und dieselben Ansprüche an VOllständigkeit, Neutralität und inhaltliche Korrektheit an seine Äußerungen einschließlich aller Blogbeiträge anlegen, die er auch von Politikeräußerungen verlangt. Wenn er dann noch Fakten und Argumente auch nur von der Qualität einer durchschnittlichen Gesetzesbegründung zusammenbekommt, wäre das wirklich beeindruckend ...
Möglicherweise müßte man sich dann auch nicht darüber grämen, daß die Meinungen der "Spezialisten" ignoriert werden. Das kann - neben anderen Gründen - auch daran liegen, daß die Spezialisten gar keine sind; die Frage der Zugangserschwerungen ist nur sehr am Rande eine technische Frage, und auch Netzkenntnisse und Kenntnis des Lebensgefühl der "Netzbewohner" sind zwar wichtig, aber m.E. nicht ausschlaggebend. Und ob diejenigen, die sich jetzt nicht berücksichtigt vorkommen, wirklich Spezialisten im Bereich des Verfassungs-, Verwaltungs-, Polizei- und Medienrechts einschließlich des Völkerrechts (soweit der rechtliche Bereich betroffen ist), der Gestaltung mehrstufiger Prüfungsverfahren mit Rechtsweggarantie (sowohl der organisatorische Bereich betroffen ist) und der speziellen Subkultur der Kinderpornographie-Erzeuger, -Verbreiter und -Konsumenten (soweit der sachliche Bereich der Bekämpfung der Kinderpornographie betroffen ist) sind, wage ich zu bezweifeln (obwohl es ja zumindest für den letzteren Bereich angeblich einen prominenten Spezialisten gibt).
Kurz und gut:
Das Problem besteht nicht einseitig aus den Politikern, die nichts vom Netz verstehen und denen man das Netz erklären muß. Es besteht auch aus denen, die glauben, es würde genügen oder sei gar das wesentliche, sich im Netz auszukennen.
Solche Probleme lassen sich nicht durch Radikalrhetorik ("unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung wurde (mal wieder) zu Grabe getragen", "Jetzt ist Zeit für den Widerstand!"), Verbitterung, Politikverdrossenheit oder Belehrungen lösen. Sie erfordern zunächst die Erkenntnis, daß die eigenen Defizite nicht notwendig kleiner sind als die der "Gegenseite" und nur auf anderen Bereichen liegen. Und danach erfordern sie den Willen und das Können, (a) die eigenen Inhalte verständlich (!) zu erläutern und (b) die anderen Inhalte zu verstehen.
Das gilt zwischen "Netzbewohnern" und "Politikern" genauso wie zwischen Ärzten, Lehrern, Technikern und Juristen (allesamt miteinander und in geringerem Maße mit der allgemeinen Bevölkerung inkompatible Gruppen) - und sicherlich für andere, mir persönlich nicht so vertraute Gruppen auch.
Dirk Deimeke am :
Mir missfällt an der ganzen Diskussion, dass versucht wird eine (potentielle) technische Lösung für ein untechnisches Problem zu finden. Es soll gemacht werden, weil es machbar ist und nicht weil es sinnvoll ist.
Das alles wird im Zusammenhang mit dem Wahlkampf betrieben, um gut da zu stehen.
Wir (Techies) bleiben dann auf der technischen Ebene, bieten aber auch keine nicht-technischen Lösungsmöglichkeiten an.
In der Art werden in letzter Zeit viele Diskussionen geführt. Das wirklich und wahrhaftig Schlimme daran ist, dass es immer nur um (Blödsinn: Ursachenbekämpfung) Symptombekämpfung geht. Es geht selten darüber, das Übel zu bekämpfen.
-thh am :
Leider hat sich die öffentliche Diskussion, zumindest soweit ich sie verfolgen konnte, bisher um diese m.E. relevanten Fragen gar nicht groß gekümmert. Entweder verblieb der Schlagabtausch im Grundsätzlichen ("keine Zensur" gegen "Bekämpfung von Kinderpornographie rechtfertigt (fast) alles") oder verzettelte sich in Einzelheiten.
Technische Lösungen nicht-technischer Probleme sind im übrigen meines Erachtens nicht grundsätzlich unmöglich oder sinnlos. So richtig es ist, daß man soziale Probleme im weitesten Sinne nicht technisch - im weitesten Sinne - abschließend lösen kann, so falsch wäre es, technische Lösungsmöglichkeiten gänzlich auszuklammern. Ich habe zum Beispiel eine Wohnungstür und schließe diese auch ab, obwohl ich weiß - oder zumindest als sicher annehme -, daß die Tür binnen kürzester Zeit zerstörungsfrei zu öffnen ist, vermutlich durch jeden einigermaßen geschickten Lockpicker. Ich kann das soziale Problem, daß jemand in meine Wohnung eindringt (Hausfriedensbruch) oder mich bestiehlt (Einbruchdienstahl), durch technische Maßnahmen nicht abschließend lösen, ganz egal, wie sehr ich mich verrammele, wieviele Alarmanlagen ich einbaue und was sich sonst tue. Ich ziehe es trotzdem vor, nicht darauf zu warten, daß wir einmal in einer Gesellschaft leben, in der Diebstahl nicht mehr vorkommt oder in einem solchen Maße sozial geächtet ist, daß allein das zur Vermeidung genügt (oder in dem jeder alles oer genug oder alle dasselbe haben), sondern mich mit (bei strikter Schwarz-Weiß-Betrachtung untauglichen) technischen Mitteln zu schützen. Und ich filtere auch Spam - obwohl ich weiß, daß das das Spam-Problem nicht abschließend lösen kann.
Deinen letzten Absatz habe ich, ehrlich gesagt, nicht ganz verstanden. Was spräche denn gegen Ursachenbekämpfung? Das müßte, meines Erachtens, das eigentliche Ziel sein, daß aber vermutlich nie (jedenfalls nicht kurz- oder mittelfristig) )erreichbar sein wird. Ursachenbekämpfung darf nicht fehlen, aber sie genügt alleine nicht. Um beim Beispiel des Einbruchs zu bleiben: die Ursachen dafür durften in sozialer Ungleichheit, im Konzept "privates Eigentum" oder in der menschlichen Natur liegen, je nachdem, wie man das sieht. Daran sollte und muß man arbeiten; dennoch kann man sich nicht allein darauf konzentrieren, sondern muß weiterhin begangene Einbrüche aufklären und ahnden und an der Verhinderung weiterer Einbrüche arbeiten. Ursachenbekämpfung, Prävention - namentlich im Sinne der Gefahrenabwehr - und Repression - im Sinne der Strafverfolgung - stehen nebeneinander; man kann nicht nur das eine tun.
Grüße,
-thh
Dirk Deimeke am :
Fakt ist, dass - im Fall der Kinderpornographie - die zu ahnende Straftat, der Kindesmissbrauch, schon begangen wurde und dass es jetzt um Täterverfolgung gehen muss.
Genau das passiert aber nicht.
Mein letzter Abschnitt ist Schwachsinn, ich meinte nicht Ursachenbekämpfung, sondern Symptombekämpfung. (Passe das jetzt an).
Dirk Deimeke am :
Die Technik kann eines (von vielen) Werkzeugen sein, die helfen ein Problem zu lösen. Technik ist aber nie alleine die Lösung des Problems.