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Mut zum Unperfektsein ...

gedanken Es gibt sie noch, die seltenen Momente der geistigen Klarheit. Angeregt durch die Bücher, die ich in den letzten Tagen gelesen habe und die Zeit, im Urlaub mal meinen eigenen Gedanken nachhängen zu können, begreife ich langsam einiges, was ich schon seit langer Zeit weiss. Ja, "Wissen" und "Verstehen" sind unterschiedliche Dinge.

Wir alle werden von Kindesbeinen an darauf gedrillt, möglichst perfekte Ergebnisse zu erzielen. Dabei ist es unabhängig um welchen Bereich es geht.

Die Wohnung muss perfekt aufgeräumt und sauber sein - das Ideal "sauber und rein" existiert nur in den Köpfen und manchmal auch in den Wohnungen unserer Elterngeneration. Die Finanzen müssen 100% stimmen und die Versicherungen sollten jede noch so kleine Eventualität abdecken. Ja, auch die Meinung vieler Schweizer, sie würden nicht perfekt Deutsch reden, fällt darunter. Anmerkung am Rande: auch jeder Deutsche, der nicht gerade aus der Gegend rund um Hannover kommt, hat einen Heimatdialekt, den er mal mehr, häufig aber weniger benutzt. Uns wird in den Schulen das Dialektreden aberzogen, so findet es nur noch unter Freunden oder in den Familien statt. Tatsächlich ist es so, dass ich "Ruhrdeutsch" nicht mehr auf Knopfdruck reden kann, das funktioniert nur noch, wenn ich mich in einem Gespräch mit anderen hineinfinde.

100% oder die absolute Perfektion sind nur in Ausnahmefällen zu erreichen. Das sagt schon das Pareto-Prinzip, dass ich gefühlt schon 100 Jahre kenne, aber vermutlich noch nie richtig verstanden habe. 80% eines Ziels erreicht man in 20% der Zeit, die restlichen 20% Zielerfüllung werden mit 80% der Zeit erreicht.

Viele grossartige Projekte wären nie gestartet worden, wenn als Ziel die hundertprozentige Perfektion gesetzt worden wäre. Die Beispiele dafür sind vielfältig. Ich möchte an dieser Stelle nur drei Beispiele anführen: Wikipedia, OpenStreetMap und Ubuntu Linux. Gerade OpenStreetMap hat den Stein des Nachdenkens bei mir erneut ins Rollen gebracht.

Zitat aus OpenStreetMap von Frederik Ramm und Jochen Topf:
Wenn jemand hört, dass das OpenStreetMap-Projekt die Welt nur mit GPS-Geräten vermessen will, macht sich immer Skepsis breit, ob das überhaupt genau genug ist. Eine Genauigkeit von +/- 5 Metern hört sich nicht so toll an. In der Praxis zeigt sich aber, dass das kein grösseres Problem ist. Für eine Katasterkarte, die die Grundstücksgrenzen genau wiedergeben soll, reicht das natürlich nicht. Aber für die Stadt- und Landkarten, die OSM produziert, ist es allemal genau genug. Eine Strasse ist ja auch einige Meter breit und man fährt meist nicht exakt in der Mitte. Ob die Strasse nun ein paar Meter weiter nördlich ist, spielt nur eine geringe Rolle - viel wichtiger ist, dass sie topologisch richtig erfasst ist. Man muss beispielsweise unterscheiden können, ob eine Strasse wirklich eine Verbindung zu einer anderen hat oder kurz davor in einer Sackgasse endet. [...] Ist es wirklich so wichtig, genau zu wissen, wo der Tunnel verläuft? Solange man die Enden des Tunnels gut erfasst hat kann man mit einer gewissen Ungenauigkeit beim Verlauf des Tunnels leben.

Ja, es gibt Bereiche, wo ein hohes Mass an Perfektion eine Rolle spielt, aber ich vermute, dass es viel weniger davon gibt, als wir gemeinhin denken, so dass es sich lohnt, jederzeit die Frage zu stellen, ob das, woran ich gerade beruflich oder auch privat arbeite, wirklich diesen hohen Perfektionsanspruch hat. Wenn nicht, kann es durchaus erstrebenswert sein, "nur" 80 Prozent als Ziel zu setzen. Damit hat man bei minimalem Aufwand (20 Prozent) ein durchaus akzeptables Ergebnis.

In dem Zusammenhang lohnt sich das, was ich auf einem Türschild einmal gelesen habe:
Hier ist es so sauber, dass wir nicht krank werden und so unordentlich, dass wir uns wohlfühlen.
Kommentare? Gerne!

Trackbacks

Dirks Logbuch am : Minimalismus ...

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In der Diskussion über Plugins ist mir wieder einmal das Paretoprinzip ins Gedächtnis gesprungen. Einen kurzen Ausflug hatte ich schon einmal im Mut zum Unperfektsein. Meine Meinung ist, dass etwa 80% der Menschen nur 20% der Software nutzen, die sie b

Dirks Logbuch am : Perfektion ...

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Ich hatte im Mut zum Unperfektsein schon einmal darüber gesprochen und habe jetzt via identi.ca den Link zu Sei (nicht) perfekt! gefunden. Gute Tipps! 1. Setzen Sie realistische Erwartungen 2. Geben Sie sich selbst einen Vertrauensvorschuss 3. Akze

Dirks Logbuch am : 80% Erledigt?

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Hier habe ich bereits mehrfach etwas über das Paretoprinzip geschrieben, zuletzt im Mut zum Unperfektsein. In Bezug auf Aufgaben sagt das Paretoprinzip das folgende: 80% eines Ziels erreicht man in 20% der Zeit, die restlichen 20% Zielerfüllung werden mit

Dirks Logbuch am : Good enough ...

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In Folge Folge 9 von "Dueck antwortet" spricht Gunter Dueck, dass uns Produkte fehlen, die nicht perfekt sind, sondern "good enough". Da muss ich Herrn Dueck Recht geben, ich habe das vor reichlich Monaten mal im Mut zum Unperfektsein skizziert. Meiner Me

Kommentare

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Sebastian am :

*Ich brauch so ein Türschild... definitiv! :-)

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