Von einigen Lesern bin ich via Mail gefragt worden, warum ich mich gerade für
Aikido entschieden habe. "Das ist ja kein echter Kampfsport" oder "Da musst Du ja 100 Jahre trainieren bis Du etwas bewirken kannst", ja und?
Meine Motivation ist nicht, einen Kampfsport zu erlernen, das ist ein Nebenprodukt. Mein Hauptgrund ist es, etwas zu machen, was mich körperlich und geistig fordert und fördert. Momentan bin ich grazil wie eine Gazelle oder wie heisst das Tier mit dem Rüssel?
Das soll sich wieder ändern.
Aikido kann man bis ins hohe Alter machen, mein früherer Trainer - Horst Glowinski - ist ziemlich genau
vor einem Jahr 70 geworden (Herzlichen Glückwunsch nachträglich!) und betreibt Aikido noch immer. In der Rückschau auf einen Lehrgang, den er im letzten Jahr gehalten hat, sprach er von
"Rentner-Aikido" (bestimmt mit einem grossen Grinsen im Gesicht). Das Jahr, was ich vor rund zwanzig Jahren bei ihm und mit ihm trainieren durfte, hat mich bis heute nachhaltig beeindruckt, sonst hätte ich nicht wieder nach Aikido gesucht (Danke!). Ich habe diesen
Erfahrungsbericht gefunden, der mir zeigt, dass es heute noch genauso ist.
Am Mattenrand stehend sprach mich der Übungsleiter (Horst Glowinski) an, mit einem Lächeln im Gesicht sagte er zu mir: "Und, was machst du hier?". Inzwischen bemerkte ich, dass das alles nur wenig mit dem erwarteten Judo-Training zu tun haben konnte und antwortete: "Ich wollte mir euer Training nur mal anschauen." Er antwortete: "Kampfsport kannst du dir auf Video anschauen, zieh deine Schuhe und Strümpfe aus und mach mit."
Horst ist insgesamt eine sehr beeindruckende Persönlichkeit, die in sich ruht. Wenn man auf Auszeichnungen steht, hat er diese auch vorzuweisen, derzeit hat er den 7. Dan inne und aufgrund seiner Verdienste rund um den Sport ist er auch Träger des
Bundesverdienstkreuzes am Bande (und einige andere Auszeichnungen mehr). Wer im Ruhrgebiet wohnt, sollte sich ruhig mal
ein Training anschauen und sich begeistern lassen. Zitat (aus meiner Erinnerung) nachdem er mehrfach nervend gefragt wurde, wie man sich selber verteidigen kann:
Das Geheimnis ist die Distanz oder zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Distanz kann auch heissen, dass man wegläuft, um einem Konflikt aus dem Weg zu gehen.
Das hat mich beeindruckt.
Zurück zum eigentlichen Thema.
Das Wort Aikido besteht aus drei Silben:
• Ai steht für Harmonie
• Ki steht für Lebensenergie oder universelle Energie
• Do steht für den Lebensweg
Es gibt verschiedene Versuche, das in einen deutschen Satz zu übersetzen, die irgendwie alle holprig klingen.
Bei vielen asiatischen Kampfsportarten und auch beim Aikido geht es unter anderem darum, zur Ruhe zu kommen und sich neu zu fokussieren. Das sind zwei Elemente, die meiner Meinung nach jeder, allen voran ich, heutzutage brauchen kann. Die Bewegungen helfen dabei. Christian hat das
bei Google+ gut auf den Punkt gebracht:
Ich bin da auch nicht so der Einzelgänger, wenn es um Sport geht und kann mir gut vorstellen, dass dies ein schöner Ausgleich für Dich werden kann. Gerade die Bewegunsabläufe fordern auf Dauer eine hohe Konzentrationsleistung. Dazu das Aufwärmtraining und die Stände - sicherlich ein guter Wiedereinstieg in den Sport.
Bis vor ein paar Jahren - der Trainer ist leider zurück nach Stuttgart - habe ich hier in Lübeck Kenjutsu trainiert. Hat mich körperlich fit gehalten und der Kopf war danach wirklich frei...fast wie ein Kurzurlaub.
Es gibt Leute die stehen auf Ränge, aber im Grossen und Ganzen sind sich die Experten einig, dass es im Aikido Schüler und Lehrer gibt. Und selbst die Lehrer, erkennbar durch den schwarzen
Hakama, sind immer noch unterwegs und lernen weiter. In manchen
Dojos (Schulen) werden die Schülergrade durch verschiedene Farben gekennzeichnet - je dunkler, je weiter fortgeschritten - um bei dem gemeinsamen Training darauf hinzuweisen, wie weit das Gegenüber ist, weil die Farben einen Ausbildungsstand kennzeichnen. In anderen Schulen, so auch dort, wo ich trainiere, haben Schüler jeden Ausbildungsstandes einen weissen Gürtel. Andere Schulen bestehen darauf, dass Schüler einen weissen Hakama tragen. Die Bandbreite ist riesig. Wer einen Überblick über die Grade möchte, kann
hier einmal nachschauen.
Um es für mich zusammen zu fassen: Ich mache das, weil ich einen körperlichen Ausgleich brauche. Die mentale Komponente - inklusive Atemtechnik - ist mir ebenfalls wichtig. Da ich eher Teamsportler als Einzelkämpfer bin, mag ich es sehr, dass Aikido gemeinschaftlich passiert. "Runde" und schonende Bewegungen (eben "harmonische") helfen, dass man sich nicht die Gelenke kaputt macht.
Grade ("Beförderungen") und der Selbstverteidigungsaskpekt spielt für mich eine untergeordnete Rolle.