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It is to late now to stop the process. This was your choice, you let it in... 02

Am Anfang anfangen, damit ihr wisst, wie das alles gekommen ist. Wir sind also ausgewandert. Natürlich in das Land, in das wir nicht wollten. Aber wer will sich schon hinterher fragen, was gewesen wäre, wenn nicht? Ich habe unsere Sachen gepackt und gut. Der LKW kam, wie von allen Umzügen, gibt es viele lustige und tragische Anekdoten zu erzählen. Fakt ist, ich wurde dann auch umgezogen und dann war ich hier. Hier ist alles besser. Wir wohnen ja jetzt in einem Haus. Geld ist auch genug da. Was hilft mir das, wenn ich alleine bin? Klar, ich habe die Hunde. Mein Wille zum Sachen kaufen ist eher mässig ausgeprägt und die Hunde haben irgendwann auch keine Lust mehr draussen rumzulaufen. Ich flüchte mich also in Hausarbeit und Bücher.

Woran merke ich eigentlich, dass ich ausgewandert bin? War ja nicht so weit, ein paar hundert Kilometer. Ausgewandert bist du, wenn du merkst, dass es nichts gibt, was dich an Zuhause erinnert. Im Supermarkt heisst alles anders, keiner will dich verstehen, keine Menschen, die du triffst und zwei bis fünf Worte wechselst und dann nie wieder siehst. Wenn sie dich übersehen oder ausgrenzen, dann bist du ausgewandert, innerlich und äusserlich.

Aber erstmal drei Schritte zurück. Es ist ja toll hier. So viel Natur, die Berge, ein grosses Abenteuer. Ich fange mal klein an, wo ist denn hier der nächste Supermarkt? Ach ja, im Dorf ... Und wenn ich richtig einkaufen muss? Ich erspare euch den ganzen Mist. Jeder von euch weiss, dass einem Umzug eine Menge Papierkram folgt. Ich war ja hier zum "Verbleib beim Ehemann". Praktisch ausgelöscht, auf die gesellschaftliche Essenz reduziert. So habe ich mich dann auch gefühlt. Was kam war die Rache der Hausfrau. Meine Wäsche war morgens als erste draussen auf der Leine. Während die anderen noch ihre Waschmaschine ausgeräumt haben, war mein Kuchen schon im Ofen, das Haus geputzt, die Fenster blitzeblank. Nur leider war am Ende des Putzens und Kochens noch so viel Tag. Glücklich war ich nicht. Aber das kannte ich ja aus dem Fernsehen. Die waren auch nie glücklich, nicht am Anfang.

Als könnte es nicht schlimmer werden.
Ich brauche Sozialkontakte. Mein schlimmster Alptraum scheint wahr zu werden. Ich muss auf Menschen zugehen, mich mit ihnen unterhalten und konzentriert sein. Artig zuhören und gut überlegen, was ich antworte, lächeln. Hier sprechen sie nicht meine Sprache, das macht das Ganze noch schwieriger. Ich habe mit alten Leuten Canasta gespielt, damit der Tag vorbei ging. So lange, bis ich nicht mehr still sein konnte. Die Freiwilligenarbeit mit pflegebedürftigen alten Menschen ist geblieben. Die kommt mir entgegen. Demenz und Alzheimer machen mir das Miteinander leicht.
Wandern in den Bergen war ich auch. Kontakte nutzen.

Du wirst zu vertrauensseelig, das ist mir manchmal durch den Kopf geschossen. Wenn du alleine bist, wirst du dankbar für jede Zuwendung. Ich bin leichtfertig geworden, habe nicht mehr alles hinterfragt, Menschen, die mir unangenehm waren, schön geredet. Ich will heim. Aber wo ist das? Bei meinem Mann. Der ist aber hier und auch nicht. Zähne zusammen beissen. Hab noch ein bisschen Geduld, das wird schon. Am Ende meiner Geduld sind dann zwei Sachen passiert. Zuerst habe ich eine E-Mail geschrieben und um einen Platz in der Hundertrainerausbildung gefragt. Ich bin ja heikel, hier wollte ich das nicht machen, wegen der seltsamen Einheimischen. Dort haben sie mich genommen. Vor mir lagen also mehr als genug Wochendkurse im Nachbarland. Dessen Sprache ich übrigens bis heute nicht beherrsche. Hier wollten sie mich nicht, also weg hier. Wenigsten alle paar Wochen für drei Tage.

Kontakte benutzen. Ich muss die Menschen ja nicht mögen, nützlich sein, können sie auch so. Lächeln und die Klappe halten habe ich schon im Kindergarten gelernt. Lächeln, und schon hatte ich den Job im Dorfsupermarkt. Und das alles in eineinhalb Jahren. Dazu kamen dann noch Kurse in Tai Chi Chuan. Die sind hier nämlich bezahlbar. Und sporadische sozialen Treffen mit Arbeitskollegen meines Mannes. Sieht doch schon gar nicht mehr so duster aus. Zumindest eine Zeit lang. Glücklich war ich nicht. Dazu gehörte ich nicht. Verraten habe ich mich.

Das Leben ist grausam. Egal in welche Richtung ich gehen will, es schlägt mir die Türen vor der Nase zu. Wenn ich wenigsten wüsste, welche Lektion ich lernen soll. Warum sind immmer die Wege frei, die ich nicht gehen will. Und dann kommt immer der Punkt, an dem ich meine Klappe nicht mehr halten kann.

Der Dorfsupermarkt also. Ich wohne direkt gegenüber. Seit eineinhalb Jahren. Plötzlich hatte ich Nachbarn. Ich bringe das mal auf den Punkt. Menschen, die micht so lange übersehen haben, waren plötzlich und unerwartet nett zu mir. Selbst die neuen Kollegen, die mich als Kunden unfreundlich behandelt haben. Sehr seltsam. Das funktioniert hier wohl so. Willkommen in meiner Welt. Komisch nur, dass ich immer das Gefühl habe, ich muss das machen, worauf andere keine Lust haben. Jetzt bin ich aber undankbar. Wieso habe ich meistens die komischen Dienste? Ob das daran liegt, das ich Ausländer bin? Jetzt bilde ich mir aber was ein. Wieso gerate ich immer zwischen die Fronten? Mal wieder lächeln und Klappe halten.

Jetzt mal ein paar komische Gedanken. Geht es Zugewanderten im meiner Heimat auch so? Wieviel Kraft bekommen Sätze wie, "So schlimm kann das ja gar nicht sein!" oder "Dich meinen wir ja nicht, du bist kein richtiger Ausländer hier."?

An der Kasse sitzen ist wie an der Front! Ich bin den Leuten ausgeliefert, muss freundlich sein und lächeln. Ich möchte manchmal einfach zuschlagen. Wo bin ich hier? Ist das überall so? War ich auch so? Es wird besser. Ich mache einfach meine Arbeit und lasse sie reden. Unterhalten kann ich mich ja mit den anderen Ausländern. Dazu gehöre ich nie, die Kollegen reden nicht gerne mit mir, weil ich eine andere Sprache spreche.

Immer wieder die selben Fragen! Wo komme ich her, warum stellt den ein ureinheimisches Unternehmen Ausländer ein? Halt, bin ich ja nicht. Ich bin Ausländer anderer Klasse. Mich kennen sie ja, ich falle nicht weiter auf, die meinen andere. Wieder am Ende angekommen. Ich kann nicht mehr die Klappe halten, aber lächeln.

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Kommentare

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Ramon Kukla am :

*Das liest sich aber eher deprimierend. Wobei man aber auch fair sein muss. Ihr seid aus einer Ecke aus Deutschland, wo die Leute immer offen und ehrlich gesagt haben wenn ihnen was nicht passt. Da kommt nicht jeder mit zurecht.

Ich kannte die Schweiz vor eurem Umzug nur aus einem Kinderurlaub und habe da tolle Erinnerungen dran. Naja, Kinderheitserinnerung. Nach dem was ich so hoere moechte ich sagen, dass ich da nicht wohnen moechte.

Silvia am :

*Es ist ja nicht schlecht hier ... nur anders. Du hast hier einfach nur zu viele Möglichkeiten, glaube ich. In Deutschland hatte ich viele Träume und hier habe ich die Chance sie wahr zu machen, leider ist der (emotionale) Preis recht hoch.

Ramon Kukla am :

*Ich glaube, also ich jetzt, dass man Traeume braucht. Auch Traeume, die sich nicht erfuellen. Ich glaube sonst ist in vielen Bereichen der Anreiz weg.

Dass du dir da den ein oder anderen Traum erfuellen kannst hoert sich erst mal super an. Aber basierend auf deinem Beitrag, bzw. auch auf dem was du antwortest frage ich mich, ob das so ein toller oder erstrebenswerter Traum ist, wenn da scheinbar doch so nachhaltige Minuspunkte mit einhergehen?

Ich haette z.B. auch mal den Traum zum Mars zu fliegen. Ich wuerde es aber, selbst wenn ich die Chance haette, nicht machen, da ich mir damit zu viele Nachteile "erkaufen" wuerde (Familie nicht sehen).

Silvia am :

*Weisst du, früher hatten wir nie viel, wir haben immer gespart, so bin ich gross geworden. Du guckst beim einkaufen auf die Preise, Extras sind nicht drin. Hier ist das nicht so, du gehst einkaufen und nimmst was du willst ... das ist immer noch komisch (und das ist auch gut so). Du kannst dir vorstellen, wie schnell da kleine Wünsche erfüllt sind, mit der Zeit ist das wirklich langweilig.

Was am meisten fehlt sind die Menschen. Du gehörst immer nicht dazu. Meine Freunde sind auch Ausländer. Und wenn ich dann mal mit "Schweizern" etwas unternehme, dann dauert es nicht lange, bis sich das Gespräch um Ausländer dreht, zu denen ich aber nicht gehöre, mich meinen die nie ...

Hey, die trinken hier Weisswein mit Zitronenlimo, noch Fragen ;-)

Dirk Deimeke am :

*Das ist enorm schwierig.

Mit der Zwischenstation Düsseldorf haben wir gemerkt, dass wir so gut wie keinen Freundeskreis haben.

Das, was mich in Deutschland halten würde, sind meine Eltern. Problem dabei, es gibt im Ruhrgebiet keine "vernünftig" bezahlten Jobs.

Was bleibt?

Aufgrund unserer Sozialisierung im Ruhrgebiet bestünde noch die Möglichkeit, nach Berlin zu gehen, da ist der gleiche Menschenschlag zu Hause. Damit ist aber auch nichts gewonnen.

Es gibt leider keine perfekte Lösung.

Bruno am :

*Hallo Silvia

Du fragst, ob es Zugewanderten in deiner Heimat auch so geht? Ja, tut es.
Sicher habe ich in Hannover nicht die gleichen Assmilierungsprobleme gehabt wie du/ihr in euerm Bauerndorf. Aber auch in Deutschland ist man Ausländer 1./2./3. Klasse. Ich war als Schweizer ganz klar Ausländer erster Klasse. Und wenn meine deutschen Kollegen und (ja, nach einiger Zeit auch) Freunde über Ausländer hergezogen sind und ich sie darauf hingewiesen habe, dass ich auch Ausländer bin, was meinst du, wie die Antwort lautete? Genau ;-) Du doch nicht, du bist doch kein Ausländer, du bist doch Schweizer, du bist doch wie wir. (Dass ich in vielen Dingen mehr Ausländer war, als jeder EU-Bürger vergessen wir mal gefliessentlich ;-)).

Und ja, Deutschland und in Deutschland wohnende gehen mit ihren Ausländern auch nicht immer pfleglich um, genauso wie in der Schweiz wohnende (das sind auch nicht immer nur Urschweizer, sondern oft genug auch Secondos, die "Angst" um ihre neue Heimat haben. Was es natürlich nicht entschuldbarer macht).

Kann es sein, dass es für dich vielleicht nicht optimal war, in ein kleines "Kuhdorf" zu ziehen? Da können die Einheimischen schon mal etwas selektiv sein (nicht nur zu Ausländern, sondern auch zu anderen Auswärtigen. Selbst erlebt in Hemberg/Toggenburg ;-)). Aber auch das darf nicht verallgemeinert werden. Meine (deutsche) Frau ist ja auch mit mir in die Schweiz, in ein Bauerndorf mit zweieinhalbtausend Einwohnern, (zurück-)gezogen. Und sie hat nicht unbedingt die gleichen Erfahrungen gemacht. Kommt wohl immer drauf an, wem du begegnest. Jeder Jeck is anders.
Ist es die Schweiz allgemein oder ist es dein aktuelles, direktes Umfeld an deinem Wohnort?

Und hey, nichts gegen unsere Getränke. Ich trinke zwar keinen Wein mit Zitronenlimo, aber einen Weisswein mit Sprudel und einem Zitronenschnitz im Sommer, warum nicht? ;-) Und hey, wer trinkt den Bier mit Cola? Noch Fragen? :-)

Silvia am :

*Hallo Bruno,

da bin ich jetzt aber beruhigt ;-) Ich bin mit so vielen Ausländern gross geworden, dass ich da nie Unterschiede gemacht habe. Ich glaube, deswegen hat mich das hier doppelt hart getroffen, plötzlich musste ich mich mit Zeugs befassen, über dass ich mir nie Gedanken gemacht habe.

Hm, ich mag mein Kuhdorf :-) Seit ich nicht mehr im Dorfsupermarkt arbeite, ist es nochmal besser geworden - das liegt aber am Ruf den Supermarktes - konnte ich ja nicht ahnen. Kaum bin ich da raus und schon machen alle Duzies mit mir, total schräg.

Weissweinschorle gibt es bei uns auch, aber mit Limo, neee ;-) Auf das "Krefelder" (Bier mit Cola) gehe ich jetzt nicht ein, der Name sagt schon alles :-)

bruno am :

*Ja, das mit dem Ruf des Supermarkts. Uns ging es damals ähnlich, mit der Wahl der falschen Kneipe. Wurde uns aber wenigstens mehr oder weniger direkt vermittelt, dass wir als neu Zugezogene dann schon in der falschen Beiz verkehren. Aber das ist natürlich das Problem in solchen Kuhdörfern wie "unseren". Die soziale Kontrolle hat viel Gutes, kann aber manchmal auch äusserst störend sein, weil jeder Schritt von irgendwem beobachtet wird. Ich (und zum Glück auch meine Familie) möchte es aber trotzdem nicht missen. ;-)

Da bin ich beruhigt, dass wir uns bei Getränken (zumindest teilweise) anscheinend auf einem gemeinsamen Level bewegen. ;-) Ich werde heute Abend, in Ermangelung eines schönen Alt, ein (oder zwei) nette Dunkle geniessen. ;-)

Dirk Deimeke am :

*Yip, und das nächste Mal nehmen wir die Frauen mit. :-)

bruno am :

*Ja, müssen wir dann wohl. ;-)

Silvia am :

*Das ist doch alles total schräg...!

Viel Spass dabei :-)

bruno am :

*Schräg? Da ist noch gar nichts schräg. Schräg wird es frühestens nach den Bieren. Und zwar die Lage. ;-)

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