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Einordnung System Engineering ...

Nach dem gestrigen Jobangebot bin ich auf Google+ gefragt worden, was denn eigentlich System Engineering sei. Was ich unter Senior verstehe, habe ich in diesem Posting versucht zu verdeutlichen. Hier folgt nun die Einordnung von System Engineering in die wunderbare Welt der Systemtechnik oder Systemintegration ;-)

Zunächst eine Begriffsklärung und Unterscheidung:

System Administrators (SA) sorgen für den Betrieb von Systemen und System Engineers (SE) implementieren Lösungen und erstellen Betriebs- und andere Konzepte. Die Grenzen sind fliessend.


Gerade weil die Grenzen fliessend sind, kann es sein, dass die Ausprägung je nach Unternehmen unterschiedlich ist. Häufig ist es so, dass System Administrators 1st- oder 2nd-Level-Support leisten und System Engineers als Stufe dahinter 2nd- bzw. 3rd-Level-Support bieten.

Neue Ansätze - wie beispielsweise DevOps - sorgen für eine Neuausrichtung und ein neues Rollenkonzept. Da ist gerade einiges in Bewegung, auch die generelle Unterscheidung zwischen "Systembetrieb" (oder Systemtechnik oder Systemintegration) und "Anwendungsentwicklung" ändert sich. (Amazon, Facebook und Google machen das vor und das, was sie herausfinden, "tröpfelt" auch in kleinere Umgebungen.) Wer in kleinen Umgebungen arbeitet, bekommt von diesen Konzepten nichts mit, da gibt es zumeist "Mädchen für alles" und keine weitere Unterscheidung.

Projekt

In der Regel ist der Startpunkt für neue Installationen oder Umgebungen ein Kundenauftrag, eine strategische Entscheidung oder schlicht der Wunsch nach etwas Neuem. Das wird im Normalfall durch ein Projekt abgebildet.

Ich werde im Folgenden die englischen Fachbegriffe verwenden und mich nur auf den "für uns" relevanten Teil stürzen. Was Projekte sind und wie diese verwaltet werden, können andere Personen besser beschreiben.

In einer ersten Phase setzt sich ein Architekturteam an die Arbeit und beschreibt die Lösung auf zwei Ebenen, die für uns relevant sind: Ein Gesamtbild - "Big picture" - der Lösung und eine Infrastruktur-Sicht (da finden wir uns wieder). Es ist hilfreich, das grosse Bild zu kennen, um Entscheidungen zu verstehen. Beteiligt sind "Solution Design" bzw. "Solution Architecture" und "Infrastructure Design" bzw. "Infrastructure Architecture".

In der nächsten Phase kümmern sich "Technical Architects" (bei T-Systems heissen die "Technical Solution Engineers") um die Umsetzung der Ideen. Es wird ein konzeptionelles Bild auf Ebene der jeweiligen Technologie in den Feldern System (<- wir), Database, Middleware, Software und Infrastructure gebaut und ein "Proof of concept" entwickelt. Damit wird grundlegend gezeigt, dass die Bilder, die die Architekten malen ;-) auch tatsächlich umsetzbar sind.

Jetzt kommen wir:

Wir bauen Testsysteme und erstellen Operating System Builds, die später betrieben werden können. Diese Builds werden auch benutzt, um Systemseitig Patches und Upgrades zu testen. Sinn dahinter ist, den Aufbau eines Systems nachverfolgbar und wiederholbar zu halten, sowie die Grössenordnung der verwendeten Systeme sicher zu stellen.

Der Aufbau von Werkzeugkästen, die den Administratoren später im Betrieb nützlich sind, gehört ebenfalls zu unseren Aufgaben und in manchen Umgebungen werden diese Hilfssysteme (als Beispiele Imageserver und Konfigurationsmanagementsysteme wie Puppet oder Chef) sogar vom Engineering betrieben.

Dieses Engineering (gibt es dafür eigentlich ein sinnvolles deutsches Wort) passiert wie die technische Architektur in den gleichen Feldern: System, Database, Middleware, Software und Infrastructure.

Der für viele unangenehme Teil der Arbeit ist das Schreiben von Betriebskonzepten, häufig in englischer Sprache, und Betriebshandbücher. Und auch die weitergehende Pflege dieser Dokumentation.

Am Ende der Projektphase werden die Systeme dem Betrieb übergeben und von "Betrieblern" verwaltet.

Betrieb

Als Beispiel für den Betrieb nehme ich einmal den "Lebenslauf eines Systems".

Als allererstes müssen die Systeme gekauft werden. In grösseren Umgebungen sorgt eine Einkaufsabteilung (Purchase department) dafür.

Eine Provisionierungs-Abteilung (= Aufbau der Geräte nach Vorgaben des Engineerings) baut die Systeme auf, montiert Sie ins Rack, verkabelt sie, installiert das Basissystem, konfiguriert das Netzwerk und bindet sie ans LDAP (oder Active Directory oder NIS oder ...) an.

Anschliessend passiert das "Customizing" bzw. die Anpassung an die spezifische Aufgabe. Das wird in machen Firmen durch das Engineering erledigt, im Normalfall (die Vorgaben sind ja dokumentiert) durch das Provisioning und später im Betrieb explizit durch die System Administratoren bzw. das Operation Team.

System Administration bzw. Operation ist verantwortlich für den kompletten Betrieb des Servers und leistet 1st Level Support. Das sind insbesondere die drei Felder Incident Management, Problem Management und Change Management.

Zum Ende der Lebenszeit der Systeme werden diese durch ein (end-of-life-Provisioning-Team) heruntergefahren, ausgebaut und entsorgt.

Im Betrieb gibt es natürlich auch eine Schnittstelle zum Engineering und (fast noch wichtiger) eine Feedback-Schleife. Engineering-Teams leisten häufig 2nd Level Support und helfen weiter, wenn der 1st Level an seine Grenzen gekommen ist. Neben Incident Management wird vor allem beim Problem Management (oder bei Taskforces) unterstützt.

Das, was dort herausgefunden wird, fliesst wieder in die weiter oben angeführten Builds ein und auch in die Architektur. Mit dem, was im Betrieb funktioniert (oder auch nicht) müssen Produkte und Designs angepast werden.

Nur aus Gründen der Komplettheit sei erwähnt, das der Hersteller meistens den 3rd Level besetzt und die Sachen, die dort gefunden werden natürlich auch Einfluss auf Betrieb, Engineering, Architecture und Design haben.

Wenn Ihr Euch tiefer in das Thema einarbeiten wollt, ist ITIL das passende Stichwort dazu. ITIL beinhaltet eine Serie an bewährten Verfahren, die man im IT Service Management verwenden kann. ITIL Wissen zu haben, schadet niemandem, der in der IT arbeitet. Viele Arbeitgeber fordern das sogar ein.

Das gibt meine Meinung und meine Erfahrungen wieder. Wie immer sind Euer Feedback und Eure Rückfragen herzlich Willkommen.

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Kommentare

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Mathias am :

*Also ich bin ziemlich froh, dass in meinem Umfeld Betrieb und Konzeption nicht zwingend getrennt werden. Ich betreibe Systeme und entscheide mit Kollegen, ob neue Systeme oder Lösungen erforderlich sind und entweder bestehende Lösungen zu ersetzen oder neue Anforderungen zu erfüllen.

Der Vorteil ist, dass hier die eigenen Erfahrungen aus Betrieb in neue Lösungen mit einfließen und (meines Erachtens) die neuen Konzepte einfach rund und nicht halbgar sind - schließlich müssen ich und meine Kollegen sie später selbst betreuen. Besonders im Software-Umfeld sehe ich immer wieder, wie völlig vergeigte Systeme aus der Entwicklung in den Betrieb wandern. Die Pflege und Weiterentwcklung hängt dann an Leuten die meist nur den Kopf schütteln während sich die Entwickler mit großen Visionen dem nächsten Projekt zuwenden. Nicht meine Welt.

Dirk Deimeke am :

*Das kann ich verstehen.

Ich würde das alles auch nicht losgelöst voneinander sehen wollen. Menschen, die einige Jahre Betrieb gemacht haben und dann als Engineers arbeiten verlieren durch diesen Wechsel ja nicht ihr Wissen.

In grossen Umgebungen hast Du einen sehr hohen Standardisierungsgrad und der Adminjob ist dadurch ziemlich uninteressant, da Du nur eine Hand voll verschiedener Probleme bearbeitest.

An jeder Stelle werden Spezialisten eingesetzt. Ein Webserver gehört da auch nicht mehr zum Betriebssystem und wird durch ein anderes Team betreut.

Christian am :

*Ein schöner Artikel. Das ein oder andere Wort ist mir auch schon in meinem Praxissemester untergekommen nur hatte ich es nie so wirklich wahr genommen.
Also damit wurde mein Interesse geweckt. Ich werde mir mal das ITIL anschauen.

Danke :-)

Dirk Deimeke am :

*Gerne!

Ich muss das noch einmal betonen. Wie das gehandhabt wird, hängt nicht unwesentlich von der Grösse des Unternehmens ab.

Mathias am :

*Naja. Wenn du einige Zeit nicht mehr im Betrieb bist, verlierst Du irgendwann schon das Gefühl, schon allein weil sich ständig Methoden ändern und die ganze Umgebung überhaupt. Also, Du vielleicht nicht ;-) aber ich habe das schon bei einigen erlebt, die dann Konzepte verbrochen haben, bei denen man nur den Kopf schütteln konnte.

Das Problem mit der Spezialisierung sehe ich als nicht sooo tragisch an, je nachdem in welchem Bereich man unterwegs ist. in größeren Umgebungen (so ab 50.000 Clients vielleicht) führt da auch kaum ein Weg mehr vorbei. Meinen Job im Netzwerk-Bereich finde ich trotz Spezialisierung sehr interessant und da schaffen es Anwender immer wieder, mich mit teils sehr kreativen Anforderungen zu überraschen. Und solche Herausforderungen machen das Ganze ja schließlich aus.

Dirk Deimeke am :

*Das unterschreibe ich sofort.

Eine Gliederung der Systemtechnik in Archtitecture, Engineering und Operation bedeutet nicht, dass nicht mehr miteinander geredet werden darf.

Treiber des Ganzen sind zwei Faktoren: Es muss günstiger werden und wenn es schon preiswert ist, müssen mehr Kosten gespart werden und das kann nur über Vereinheitlichung passieren und dadurch, dass fachlich weniger qualifizierte Arbeiten an Leute übergeben werden, die eine geringere Qualifikation haben.

Im Gegenzug bedeutet das auch, dass man in jeder Stufe Spezialisten einsetzen kann. Der Klassiker ist hier, dass der beste "Fehlersucher" nicht zwangsläufig auch der beste "Konzeptioner" ist. Menschen sind verschieden und haben unterschiedliche Stärken und Schwächen.

Mir macht es Spass, Lösungen zu entwickeln, bei denen ich beispielsweise mit einen Schlag ganze Umgebungen umstellen kann. Das kann ich neben dem Betrieb nicht leisten.

Patrick am :

*Sehr guter Artikel! Die Beschreibung div. Positionen ist sehr interessant.

Ich habe das Glück, trotz eines größeren Arbeitgeber (~500), relativ viel (aber auch nicht alles :-D) selbst entscheiden zu dürfen. Oder zumindestens nur mehr noch mein Lösungsvorschläge kommunizieren zu müssen ;-)

Den eines, auch wie du es in den Kommentaren angemerkt hast, so ein "nur-Adminjob" ist in den meisten großen Firmen eher uninteressant. Denn wenn der Sys-Admin nur ein sehr kleines Spektrum abdeckt und wegen jeder "kleineren Abweichung" zu einem anderen Spezialisten-Team rennen darf, ist das ziemlich unattraktiv.

Andererseits, das "Mädchen für alles" ist nicht wesentlich besser. Auch das stelle ich mir nicht sonderlich befriedigent vor, von allem irgendwie doch Ahnung zu haben. Klar, geht sowas wenn ich 10 - 20 PC verwalten darf. Aber spät. wenn Domäne,Mailserver,Webserver,... dazukommen und dann vielleicht auch etwas mehr PCs.. stelle ich mir das nicht toll vor.Hier ist man dann vermutlich so "zugemüllt" mit first-level-support das an anderes nicht wirklich zu denken ist.

Die "goldene Mitte" ist wohl hier auch das richtige...

Dirk Deimeke am :

*Vielen Dank für Dein Lob, Patrick.

Stimme mit Dir völlig überein.

Bei der Credit Suisse AG war ich System Administrator und habe den Betrieb gemacht. Durch einige äussere Umstände, Erkrankung meiner Frau und auch die Erkrankung von Roman, habe ich mir mal länger Gedanken über meine Arbeitssituation gemacht.

Dabei habe ich festgestellt, dass ich im Groben 15 verschiedene Tickettypen bearbeite, von denen etwa zwölf auch von völlig Ungelernten mit einer Arbeitsanweisung hätten erledigt werden können. Das war mir auf Dauer zu wenig. Der Anteil an kreativer und herausfordernder Arbeit war zu begrenzt.

Ziel einer grösseren Organisation ist es, das folgende zu tun: Verschieben der Routine-Arbeit in Länder mit niedrigeren Lohnkosten. Und genau das hat die CS jetzt auch begriffen und will 40% der IT-(Spezialisten)-Stellen sparen ...

Patrick am :

*Ja, wir mussten soetwas (leider) auch feststellen.
Es gab immer wieder Tickets die jemand auch ohne besondere Ausbildung hingekriegt hätte.

Und wir haben das dann, soweit es ging, in den first level support verschoben.

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