Skip to content

Gedicht zur aktuellen Lage ...

Und hier noch ein Gedicht zur aktuellen Lage. Erst lesen, dann am Schluss schauen, WANN es geschrieben wurde....
Wenn die Börsenkurse fallen,
regt sich Kummer fast bei allen,
aber manche blühen auf:
Ihr Rezept heißt Leerverkauf.
Keck verhökern diese Knaben
Dinge, die sie gar nicht haben,
treten selbst den Absturz los,
den sie brauchen - echt famos!
Leichter noch bei solchen Taten
tun sie sich mit Derivaten:
Wenn Papier den Wert frisiert,
wird die Wirkung potenziert.
Wenn in Folge Banken krachen,
haben Sparer nichts zu lachen,
und die Hypothek aufs Haus
heißt, Bewohner müssen raus.
Trifft's hingegen große Banken,
kommt die ganze Welt ins Wanken -
auch die Spekulantenbrut
zittert jetzt um Hab und Gut!
Soll man das System gefährden?
Da muss eingeschritten werden:
Der Gewinn, der bleibt privat,
die Verluste kauft der Staat.
Dazu braucht der Staat Kredite,
und das bringt erneut Profite,
hat man doch in jenem Land
die Regierung in der Hand.
Für die Zechen dieser Frechen
hat der Kleine Mann zu blechen
und - das ist das Feine ja -
nicht nur in Amerika!
Und wenn Kurse wieder steigen,
fängt von vorne an der Reigen -
ist halt Umverteilung pur,
stets in eine Richtung nur.
Aber sollten sich die Massen
das mal nimmer bieten lassen,
ist der Ausweg längst bedacht:
Dann wird bisschen Krieg gemacht.
Kurt Tucholsky, 1930, veröffentlicht in "Die Weltbühne"

Korrektur. Das Gedicht ist nicht von Tucholsky, die Erläuterungen sind im Sudelblog zu finden.

Trackbacks

Digital Diary - Vom Sinn des Lebens zum Buchstabenglück am : Schamlose Gier

Vorschau anzeigen
In seinem appellatorisch überschriebenen Artikel Gemeinsam agieren statt allein reagieren reflektiert “Thinkabout” über die Gier nach MEHR als Phänomen in jedem Einzelnen, die sich in den letzten 15 Jahren zum beherrschenden ...

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

skhor am :

*Hat mit gut gefallen, nett. 1930! Wie hast Du das gefunden?

Boone am :

*Hat mich beim Lesen irgendwie schon an einen mir bekannten Autor erinnert... als ich Tucholsky las, war es mir klar. Aber schon krass (oder traurig), dass man heute immer noch Parallelen zu einer 80jährigen Vergangenheit finden kann...

lupo am :

*Das ist nicht von Tucholsky, das ist ein Mißverständnis!

onli am :

*Stimmt. http://www.sudelblog.de/?p=378 . Zumindest Derivate gab es in diesem Stil damals wohl noch nicht.

Kommentar schreiben

Gravatar, Favatar, Pavatar, Identica, Twitter, MyBlogLog Autoren-Bilder werden unterstützt.
BBCode-Formatierung erlaubt
Umschließende Sterne heben ein Wort hervor (*wort*), per _wort_ kann ein Wort unterstrichen werden.
Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.
Die angegebene E-Mail-Adresse wird nicht dargestellt, sondern nur für eventuelle Benachrichtigungen verwendet.
:'(  :-)  :-|  :-O  :-(  8-)  :-D  :-P  ;-) 
Formular-Optionen